//EINSEITIG

Ich bezeichne mich gerne als Schreiberling (abwertend; jemand, der viele und schlechte Texte verfasst, insbesondere ein Schriftsteller oder Journalist). Wie gut oder wie schlecht meine Texte sind, dürfen gerne meine Leser*innen entscheiden. Jedenfalls sind meine Themen (meist) queer – und ich schreibe entsprechend einseitig und parteiisch.

Textbeispiel gefällig?

Ich lebe jetzt und es tut unheimlich gut!

Sonntagvormittag kurz vor 11 Uhr: Wir sitzen mit zwei Freunden gemütlich beim Brunch bei mir am Esstisch und schmausen Lachsschnittchen und trinken ein Schlückchen Prosecco dazu. Franz ist 84 und sein Gehstock ist äusserst elegant – etwas tuntig, necke ich halblaut. Kevin ist 42 und sein Arsch kommt in seiner Jeans äusserst perfekt zur Geltung – geil denke ich leise.

Während dem ich noch ein weiteres Fläschchen Prosecco öffne, leite ich unser Gespräch auf das Älterwerden. Kevin lacht und meint, er sei auf «Planet Romeo» immer noch 32. «Du siehst auch nicht wie 40 aus», flirtet Franz. «Aber so sind wir alten Schwulen», ergänzt Franz etwas traurig, «wir sehen uns doch eigentlich viel zu negativ und wir trauern ständig unserer Jugend nach». Wer ein negatives Selbstbild von sich habe, wirke doch auch auf andere negativ, ist er überzeugt und klopft kurz und etwas zu heftig auf den Tisch.

Kevin mischt sich ein und meint, dass sich ältere Schwule nicht klar sind, dass doch Attraktivität – auch sexuelle – von der eigenen Persönlichkeit abhänge. «Kontakte müssen sich zudem nicht nur auf Zweierbeziehungen konzentrieren», ist Kevin überzeugt. Franz strahlt ihn an und meint: «Darüber haben wir schon vor 40 Jahren diskutiert. Wenn wir schon heiraten wollen, dann mehrere Personen». Wir seien viel zu stark von der Heteronormativität geprägt und würden nur in Zweierkisten denken und funktionieren. «Jeder Mensch braucht ein grosses Beziehungsnetz, das gehegt und gepflegt sein will», wirft mein Partner in die Diskussion ein. Er höre oft von älteren Schwulen in seinem Bekanntenkreis, dass sie zwar Begegnungsmöglichkeiten vermissen, aber gleichzeitig die bestehenden Angebote nicht wahrnehmen oder sich nicht angesprochen fühlen. «Es fehlt klar an gezielter Werbung, welche ältere Schwule direkt anspricht», sagt er in meine Richtung. Und ich gucke in die Runde und frage, wer noch einen Kaffee zum noch etwas warmen Zwetschgenkuchen möchte.

So lässt sich leben», meint Franz kauend. Viele Alten wüssten zu wenig genau, was sie eigentlich wirklich wollten und lassen das Leben nur noch vor sich hinplätschern. «Ich lebe jetzt und es tut unheimlich gut!». Wir nicken zustimmend und geniessen den Zwetschgenkuchen.